Katharina Kepler - Dr. Christian Pinter - Populäre Vorträge

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Katharina Kepler - die schwäbische Hexenmutter
Im April 1622 starb Katharina Kepler, die Mutter des heute gerühmten Astronomen.

Die wissbegierige, wenngleich recht zänkische Frau prägte Johannes' Charakter mit, weckte in ihm vielleicht die Neugierde an den Phänomenen der Natur.

Die letzten Lebensjahre der alten Frau waren vom Vorwurf des mehrfachen Schadenszaubers, einem Hexenprozess und 14monatiger Kerkerhaft überschattet.

Wie kam es dazu? Welche Rolle spielte ihr Sohn Johannes Kepler in diesem Verfahren?

Lieferte das Manuskript einer von ihm geplanten Science-Fiction-Erzählung, heute „Mondtraum“ genannt, zusätzlichen Zündstoff?

Wie sollte Katharina dem Scheiterhaufen entrinnen?
Ausführlichere Zusammenfassung
Katharina Guldenmann wird vermutlich am 8. November 1547 im schwäbischen Eltingen geboren. Hier, in der elterlichen Gastwirtschaft (Foto links), verbringt sie ihre Kinderjahre.
1571 heiratet sie den hitzköpfigen Heinrich Kepler, lebt mit dessen Eltern und Geschwistern in einem kleinen Haus in Weil der Stadt.

Ihr erstes Kind wird in der nahen Kirche auf den Namen Johannes geboren, wahrscheinlich von einem katholischen Pfarrer. Denn in der Reichsstadt Weil stellen Protestanten wie die Keplers die Minderheit.

Foto links: Johannes Keplers Geburtshaus
Nach einem Kriegsabenteuer zieht Heinrich Kepler mit Katharina und Johannes von Weil ins protestantisch geprägte Leonberg und erwirbt das Bürgerrecht.

Die Familie Kepler wohnt am Leonberger Marktplatz, allerdings in einem sehr schmalen Fachwerkhaus (auf dem Foto das zweite Haus von links).
Dem begabten Johannes steht somit die „schwäbische Laufbahn“ offen.

Die Württemberger Herzöge wollen lutherische Geistliche, Lehrer und Beamte heranziehen; sie setzen auf Schulpflicht und Stipendien. In der direkt dem Kaiser unterstellten Reichsstadt Weil wäre das nicht möglich gewesen.

Johannes besucht Leonberger Deutsch- und Lateinschule (Foto links).
Er darf sogar in Tübingen Theologie studieren, macht sich dort aber als verkappter Calvinist verdächtig – ansonsten wäre Johannes Kepler nicht Astronom, sondern Geistlicher geworden. Er wird später drei Kaisern als Hofmathematiker dienen. Der Rang ihres Sohns wird Katharina wohl bewusst sein.

Johannes Keplers jüngerer Bruder Christoph arbeitet in Leonberg als Zinngießer. Er verwickelt sich in einen geschäftlichen Streit mit Ursula Reinbold. Daraufhin wirft Katharina Kepler ihrer ehemaligen Freundin liederlichen Lebenswandel vor. Diese revanchiert sich: Seit einem üblen Trank, den ihr die Keplerin verabreichte, würde sie von Schmerzen geplagt: Die Giftmischerin müsse sie verhext haben!

Tatsächlich bereitet die wissbegierige Katharina – mittlerweile Witwe - allerlei Kräuteressenzen und Mittel zur Heilung von Krankheiten zu. Sie drängt diese ihren Mitmenschen sogar auf. Leonberg tuschelt. Bald mehren sich Anschuldigungen nach Reinbold'scher Art. Man wirft Katharina Schadenszauber vor. Die angebliche Hexe kontert mit einer Verleumdungsklage.
Dieses Verfahren wird vom parteiischen Vogt Lutherus Einhorn hinaus gezögert. Einhorn ist ein gefährlicher Mann, in dessen Amtszeit immer wieder „Hexen“ angeklagt, verurteilt und verbrannt werden.

Ende 1615 erfährt Johannes von der schwierigen Lage seiner Mutter. Aus Linz schreibt er an den Vogt, den Bürgermeister und das Gericht in Leonberg.

Fotos oben und links: Haus und Wappen des Vogts Einhorn


Dann reist Katharina widerwillig zu ihrem Sohn und dessen Gattin nach Linz, was ihr als Fluchtversuch ausgelegt wird.

Sie kehrt zurück, worauf Johannes Kepler selbst nach Württemberg fährt. Er trifft hier Lehrer sowie Freunde aus Studientagen, nimmt Einblick in Vernehmungsprotokolle.

Katharina zieht nach Heumaden, zu ihrer Tochter Margaretha und deren Ehemann, einem evangelischen Pastor. Am 7. August 1620, mitten in der Nacht, wird sie abgeholt.

Johannes Kepler sieht seine Mutter im September 1620 in Güglingen wieder, in Ketten gelegt.
Er vertieft sich in die 49 zusammengetragenen Anschuldigungen und liest die damaligen Standardwerke über Hexen und ihre Verfolgung. So will er sich mit der verqueren Denkweise vertraut machen.

Außerdem lässt sich Johannes von Christoph Besold beraten, einem Tübinger Rechtsgelehrten und Freund aus Studientagen. Johannes zerpflückt die Glaubwürdigkeit der Zeugen und weist Widersprüche in deren Aussagen nach.

Foto oben: Hexenfigur am Narrenbrunnen von Weil der Stadt, erschaffen vom Kunstschmied Gerhard Längerer

Damit nicht genug, wendet sich Johannes Kepler immer wieder mit Eingaben an den Herzog, der dieser Sache schließlich müde wird und die juristische Fakultät in Tübingen um ein Gutachten bittet. Diese entscheidet – wahrscheinlich unter maßgeblicher Mitwirkung Besolds – gegen die Anwendung der Folter, spricht sich aber für deren Androhung aus.

Am 28. September 1621 führt man Katharina die Folterwerkzeuge vor, schildert ihr die zu erwartenden Qualen. Sie bleibt standhaft, gesteht nichts. Der Herzog entscheidet auf Freispruch. Die knapp 75jährige wird Anfang Oktober 1621 entlassen - nach sechs Jahren Rechtsstreit und 14 Monaten Kerker.
Doch in Leonberg will man sie nicht mehr. Katharina Kepler stirbt ein halbes Jahr später, wahrscheinlich bei ihrer Tochter Margaretha, die mittlerweile in Roßwälden lebt.

Ohne ihre Hartnäckigkeit, das mutige Einschreiten ihres Sohns, dessen Rang und dessen Kontakte wäre sie vermutlich als Hexe verbrannt worden - ebenso wie mehr als 50.000 andere Frauen auch.

1937 sollte ein Brunnen für das aufstrebende Eltingen, den Geburtsort Katharinas, entstehen. Man entschied sich für den Entwurf des Künstlers Jakob Wilhelm Fehrle (1884-1974) aus Schwäbisch Gmünd. Er sah eine junge, kraftvolle Schnitterin als Brunnenfigur vor.

Knapp vor der Einweihung widmete man diese Figur Katharina Kepler (Foto links).
Seit 2022 existiert ein neues Denkmal für Katharina Kepler. Diese Skulptur stammt von Birgit Feil und wurde anlässlich des 400. Todestags aufgestellt - vor dem ehemaligen Rathaus, dem heutigen Stadtarchiv. Katharinas Geburtshaus liegt gegenüber und beherbergt nun das Cafe "Kepler's".
Artikel in der Wiener Zeitung

https://www.tagblatt-wienerzeitung.at/nachrichten/reflexionen/geschichten/2142406-Die-schwaebische-Hexenmutter.html

https://www.tagblatt-wienerzeitung.at/nachrichten/reflexionen/vermessungen/2131633-Vortreffliche-und-herrliche-Begabung.html

https://www.tagblatt-wienerzeitung.at/nachrichten/reflexionen/vermessungen/977972-Finstere-Vollmondnaechte.html

Literatur

  • Thomas Posch: Johannes Kepler
  • Justus Schmidt: Johann Kepler
  • Eberhard Walz: Johannes Kepler Leomontanus
  • Erich Meyer: Auf den Spuren Johannes Keplers
  • Kepler–Gesellschaft: Das Kepler-Museum in Weil der Stadt
  • Ludwig Günther: Keplers Traum vom Mond (19. Jh.)
  • The Dream by Johannes Kepler – A Posthumous Work of Lunar Astronomy
  • Ulinka Rublack: Der Astronom und die Hexe – Johannes Kepler

Text und Fotos © Christian Pinter
Alle Angaben ohne Gewähr  

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